Kaltes Wasser - Lebensgefahr
Vortragsabend 2011
Thema des diesjährigen Vortragsabends am 23.11.2011 waren die Gefahren des Ruderns im Winter und das richtige Verhalten sowohl im Fall einer Kenterung als auch bei der Rettung gekenterter Ruderer. Insbesondere bei den Juniorinnen und Junioren aber auch bei zahlreichen anderen Clubmitgliedern stieß der sehr anschauliche Vortrag von Herrn Dr. Klauke auf großes Interesse. Da das Thema jedoch weit über den Abend hinaus für alle Winter-Wasser-Sportler von (über-)lebenswichtigem Interesse ist, hier eine Zusammenfassung von Herrn Dr. Klauke zu seinen Ausführungen, sowie die wichtigsten Folien der Präsentation zum Nachlesen:
Kaltes Wasser – Lebensgefahr (Dr. med. Gerd-Thomas Klauke, M.Sc.)
Für den Rudersport ist das Wasser eine der Hauptgefahren. Hineinfallen in das kalte Wasser bedeutet Lebensgefahr. Neben der Unterkühlung durch den Wärmeverlust sind die Schockphase beim Eintauchen und das Schwimmversagen im kalten Wasser für die Hälfte der Ertrinkungsunfälle (Tod durch Ertrinken) verantwortlich. Die Schockphase beim Eintauchen in kaltes Wasser tritt bei Temperaturen unter 15°C auf. Sie ist kennzeichnet u.a. durch tiefe, unwillkürliche Atemzüge mit der Gefahr, das dabei kaltes Wasser in den Nasenrachenraum gelangt und somit reflektorisch ein Sekundentod ausgelöst werden kann. Das Schwimmversagen entsteht durch lokale Auskühlung der Muskulatur. Dabei kommt es rasch zu einem Versagen der Muskulatur. Die Auftrittgeschwindigkeit ist neben der Wassertemperatur besonders vom Gebrauch der Muskulatur in kaltem Wasser abhängig. Mit der Aufenthaltszeit im kalten Wasser und dem damit verbundenen Wärmeverlust ist eine Unterkühlung mit drohendem Ertrinken unumgänglich. Dabei nehmen geistige Fähigkeiten, die wichtig zum Überleben sind, rasch ab.
Welche Strategien können diese Gefahren mindern?
Mit dem Bewußtsein und dem Umgang mit der Gefahr „kaltes Wasser“ (Verhalten im Wasser, Strategie der Rettung) steigt alleine die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich an. Um einen Reflextod beim „ins Wassertauchen“ zu verhindern, ist es wichtig, vorbereitet und im Bewußtsein der auftretenden Reaktionen ins Wasser zu fallen. Dabei „vor dem ins Wasser gelangen“ tief einatmen, anschließend den Mund geschlossen halten und die Nase mit den Fingern zu halten. Unter Wasser dem unbedingten Atemantrieb widerstehen und an die Oberfläche gelangen. Die Kälteschmerzen und den unkontrollierten Atemantrieb abwarten, da sie vorübergehende Erscheinungen sind. Um das Schwimmversagen herauszuzögern, möglichst wenig bewegen und den Körper soweit wie möglich aus dem Wasser auf den Bootsrumpf bringen. Dafür muß das Boot mit Auftriebskörper versehen sein! Wegen des raschen Beginns des kältebedingten Muskelversagens ist von einem Wegschwimmen vom Boot und den wiederholten Versuchen ins Boot zu gelangen abzuraten. Sind mehrere Ruderer ins Wasser gestürzt, ist eine dauernde gegenseitige Motivation zur Steigerung der Überlebenschance wichtig. Ist ein Herauskommen aus dem Wasser mit Teilen des Körpers nicht möglich (Boot schwimmt, hat nicht genug Auftriebskörper), soll eine geduckte Haltung („Embryonalhaltung“) eingenommen werden. Dies setzt das Tragen einer Rettungsweste voraus. Ansonsten muß der Gekenterte zwangsläufig Wassertreten mit der drohenden Gefahr des raschen Muskelversagens.
Das Tragen einer Rettungsweste bei kalten Wasser (<15°C, Schockphase möglich) kann durch Verhinderung des Schwimmversagens und Senkung des tödlichen Risikos in der Schockphase die Überlebenswahrscheinlichkeit im Vergleich zu anderen Maßnahmen (z.B. Tragen von Trockenanzügen) erheblich erhöhen. Das Tragen von Rettungswesten bei kaltem Wasser gehört zu den empfohlenen Sicherheitsstandards der FISA. Dies unterstreicht die Wichtigkeit des Tragens der Rettungsweste bei kaltem Wasser.
Die Rettung der Unterkühlten steht unter einem Zeitdruck. Daher ist eine zuvor festgelegte Rettungstatik sehr hilfreich. Die Gefahr bei der Rettung von Unterkühlten (1/3 der tödlichen Ausgänge der Unterkühlung ist durch die Bergung bedingt) ist, das kaltes Blut der Arme/Beine lagerungsbedingt in den Körperstamm gelangen und somit ein lebensbedrohliches Nachkühlen mit möglichem Bergungstod stattfindet. Daher ist der Unterkühlte flach bis halbsitzend zu bergen und mit erhöhtem Oberkörper oder flach zu lagern. Die Schocklage ist zu vermeiden und kann tödlich sein. Auch während der Rettung ist die dauernde Motivation von besonderer Bedeutung. Nach der Bergung nach Möglichkeit die nasse Kleidung entfernen und den Körper passiv durch Einhüllen in Decken wärmen. Bei fehlender Atmung ist sofort die Wiederbelebung einzuleiten. Der Unterkühlte gehört wegen den Spätfolgen in jedem Fall in unmittelbare ärztliche Behandlung.
Es ist besser, erst gar nicht ins kalte Wasser zu gelangen. Dabei sind intaktes Bootsmaterial und Revierkenntnisse von großer Wichtigkeit. Auch die Vermeidung einer Ruderfahrt bei widrigen Bedingungen hat hohe Bedeutung.
Denn es gilt:
- Bleibe am Leben ... Halte Dich aus kaltem Wasser raus!
- Kaltes Wasser tötet... Bevor Du reinfällst, überlege wie Du rauskommst!
- Halte still, schwimme nicht!
- Halte Dich an irgendetwas fest – Ziehe Dich auf irgendetwas rauf!
- Halte dein Gesicht aus dem Wasser!
- In kaltem Wasser geht nichts wie gewohnt – wenn Du erstmal kalt und steif bist, kannst Du nicht schwimmen, kannst Du nicht greifen!
5.12.2011, Dr. Gerd-Thomas Klauke, M. Sc.
Auszug aus der Präsentation von Herrn Dr. Klauke